Aus aktuellem Anlass greife ich einen früheren Entwurf auf, und poste ihn jetzt doch.
Ich höre immer wieder, dass die Freundschaftsvorschläge von Facebook als „gruselig“ empfunden werden, weil der Benutzer nicht nachvollziehen kann, woher sie kommen.
So ging es auch mir, als ich letztes Jahr auf meiner Facebook-Seite eine Anzeige am Bildschirmrand sah, die mir jemanden als Freund vorschlug, mit dem ich vor Jahren eine einzige E-Mail gewechselt hatte. Persönlich kannte ich diese Person nicht. Woher wusste Facebook – ?
Inzwischen ist bekannt, woher Facebook wusste. „Freunde finden“ heißt der harmlose Button, mit dem man Facebook Einblick in seinen E-Mail-Account gewährt. Besagte Person hatte ich nicht mal aktiv in einem Adressbuch gespeichert. Facebook hat einfach alle E-Mail-Adressen verwendet, die ich je benutzt habe.
Andere haben ähnliche Erfahrungen gemacht und experimentell geprüft (Facebook liest E-Mail Konten und mehr aus). Desweiteren wurden an E-Mail-Kontakte offenbar Spam-Mails versendet (Facebook Freundefinder ist Spam Mailer). Spam deshalb, weil der Inhalt niemals mit dem „Einladenden“ abgestimmt war. Augenscheinlich spiegelte Facebook seinen Benutzern sogar falsche Tatsachen vor, nämlich dass bestimmte „Freunde“ den Freundefinder benutzt hätten (Vorsicht Freundefinder bei Facebook).
Kann das Facebook wirklich gewollt haben?
Wo bleibt da die Markensympathie?
Kann sich eine Marke Mißtrauen leisten?
Natürlich nicht.
Deshalb tut Facebook gut daran, die Gruppe „Ich habe noch nie im Leben den automatischen Freundefinder benutzt“ stehen zu lassen – auch wenn’s schmerzt. Transparenz auf der eigenen Plattform ist der konsequente Weg, den ein Social Network nun mal gehen muss.
Inzwischen werden nicht mehr jedes Mal Namen im Zusammenhang mit dem Freundefinder angezeigt (screenshots von heute):
Auch wenn’s gruselt: es ist gut, dass Facebook den Freundefinder so gemacht hat.
Nicht für die Marke. Aber für die Nutzer.
Denn die bekommen langsam ein Gefühl dafür, was „Datenkraken“ wie Facebook und Google können – und, in diesem Fall, auch dafür, was sie mit den Daten tun. Das ist mir lieber, als wenn meine Adresse ausschließlich im Verborgenen weiter gereicht würde. Was sicherlich ebenso geschieht. Aber durch die Freundschaftsvorschläge eben auch offen. Das kann uns nur eine gute Schule sein, nicht jeder API zu vertrauen. Mit der zunehmenden Verbreitung der Social Hubs, etwa in Mobiltelefonen wie dem Samsung Wave oder Windows Mobile 7, wird es künftig noch wichtiger werden, dass Nutzer Transparenz der Schnittstellen einfordern.
Gruseln ist gut.
Epilog:
Ich hatte dieses Blogpost schon unter dem Titel „facebook: das Gruseln ist amtlich“ im Juli begonnen, als ich im Urlaub in Mexico diese Meldung
vom 07.07.2010 bekam:
Facebook droht Bußgeld wegen Datenhungers
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hat ein Verfahren gegen Facebook eingeleitet. Dem Portal wird vorgeworfen, auch Daten von Nichtnutzern kommerziell zu verwerten.
Facebook ist nicht nur in Deutschland dafür kritisiert worden, dass bei Anwendungen wie dem sogenannten Friend Finding – der Suche nach Bekannten im Online-Netzwerk – die Adressbücher von Mitgliedern ausgewertet werden, die etwa in E-Mail-Konten oder auf dem Handy gespeichert sind. Dadurch wurden Menschen ungefragt zu einer Mitgliedschaft bei Facebook aufgefordert. Caspar bemängelt, dass dabei Daten von Nicht-Nutzern ohne deren Einwilligung erhoben, langfristig gespeichert und zu Vermarktungszwecken genutzt würden.
«Zu der Problematik der Nutzung von Daten Dritter haben uns in den letzten Monaten viele Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern erreicht, die darüber besorgt sind, dass Facebook über ihre Adressen verfügt und Kenntnisse über ihre persönlichen Beziehungen hat», erklärte der Datenschutzbeauftragte.
«Die Kontaktvorschläge, die Facebook in den Freundschaftseinladungen unterbreitet, geben durchaus Anlass zu der Vermutung, dass die aus den Adressbüchern der Nutzer erhobenen Daten auch zur Erstellung von Beziehungsprofilen von Nichtnutzern dienen.» Dies sei bei mehreren Millionen Mitgliedern allein in Deutschland eine beunruhigende Vorstellung.
Das Verfahren gibt Facebook die Möglichkeit, bis zum 11. August eine Stellungnahme abzugeben. Das Unternehmen bestätigte den Eingang des Schreibens. «Wir prüfen das zurzeit und werden innerhalb des festgelegten Zeitrahmens bereitwillig antworten», erklärte ein Sprecher.
Zu den Facebook-Kritikern gehört auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, die kürzlich in Berlin mit Managern des US-Unternehmens zusammentraf. Aigner wendet sich insbesondere gegen die Synchronisierung von Telefonbüchern, wie sie bei der Facebook- Anwendung für das iPhone vorgesehen ist. «In dieser Form ist die Synchronisation von Telefonbüchern meiner Ansicht nach rechtswidrig», erklärte die Ministerin. «Facebook muss das stoppen.« Bei dem Treffen habe das Unternehmen die Praxis eingeräumt und der Bundesregierung eine Überprüfung zugesagt, teilte das Ministerium am Mittwoch mit.
Über den aktuellen Stand des Verfahrens ist nichts bekannt; die Datenschutzdiskussion wird derzeit von Google Street View dominiert. Prof. Johannes Caspar hat seine Bedenken in einem Essay formuliert: Facebook – oder im Herbst des Datenschutzes?